Ultra Trail Snowdonia by UTMB: Zweiter Platz in Wales unter extremen Bedingungen
100 Meilen und 10.000 Höhenmeter in den Bergen von Nordwales: Ein Erfahrungsbericht über meinen zweiten Platz beim Snowdonia by UTMB 2025, mentale Herausforderungen und die Erkenntnis, dass 100 Meilen 100 Meilen bleiben - egal was man zuvor erreicht hat.
„Bei Schlechtwetter gibt es Tote” – so drastisch beschreibe ich die Bedingungen beim Ultra Trail Snowdonia by UTMB. Egon Theiner hat in seinem ausführlichen Artikel treffend über meinen zweiten Platz beim 100-Meilen-Rennen in den Bergen von Nordwales berichtet.
Von der “Micro Adventure” zur harten Realität
Was als entspanntes Training für den Tor des Géants geplant war, entwickelte sich zu einer der mental herausforderndsten Erfahrungen meiner Ultratrail-Karriere. Mit Startnummer 4 war klar: Es ging um den Sieg. Vielleicht war sogar eine Spur Arroganz dabei – immerhin hatte ich bereits 200- und 300-Kilometer-Rennen auf dem Podest beendet. Was sollten dann schon 100 Meilen und 10.000 Höhenmeter sein?
Die Antwort bekam ich in Llanberis, dem Start-Ziel-Ort knapp zwei Stunden westlich von Liverpool: 100 Meilen sind und bleiben 100 Meilen. Die müssen erst gelaufen werden – egal, was man zuvor erreicht hat.
Extremes Terrain zwischen Zillertal und Mont Blanc
Meine Vorbereitung bestand hauptsächlich aus Videostudium am Laptop. Das Fazit vor dem Bildschirm: traillastig, aber durch die touristische Erschließung und sogar eine Bahnlinie wohl gut laufbar. Der Realitätscheck folgte auf den ersten Kilometern: Die Schwierigkeit lag irgendwo zwischen dem Berliner Höhenweg im Zillertal und dem PTL rund um den Mont Blanc.
Es gibt sehr viele Gebirgspassagen, die massiv steinig und unwegsam sind. Gefälle und Steigungen können bis zu 30, 40 % ausmachen, gerade, dass man nicht schon klettern muss.
Mentale Tiefpunkte und die Morton-Neurom-Diagnose
Die körperlichen Herausforderungen begannen bereits vor dem Start. Beim Arzt hatte ich von einem tauben Gefühl zwischen der dritten und vierten Zehe des linken Fußes berichtet. Die Diagnose: Morton-Neurom – eine schmerzhafte Nervenverdickung des Vorfußes, die wahrscheinlich eine Operation nötig macht. „Das magst du auch nicht unbedingt vor einem Hundertmeiler hören.”
Ab Kilometer 30 machte sich die Verletzung bemerkbar. Gedanken über einen möglicherweise gebrochenen oder schwarzen Zeh sorgten nicht gerade für mentales Wohlbefinden. Um Kilometer 110 herum kam der tiefe Punkt, an dem ich ans Aufgeben dachte – genau wie mein späterer Konkurrent Tom Joly, der sogar zweimal vergeblich versucht hatte, das Rennen zu beenden.
Teamwork vs. Solo-Abenteuer
Der Sieger Ethan Peters aus Kanada war mit Freundin, Familie und Kamerateam angereist. Diese Unterstützung mag ihm den Weg zum Triumph erleichtert haben – aber die 100 Meilen musste auch er laufen. Zwischen uns lagen am Ende 1:45 Stunden, und er ist ein verdienter Sieger.
Ich war alleine unterwegs, was die banale Routine des Abarbeitens durch eigene Rechnereien ersetzte. Mit nur einem Dropbag hatte ich grundsätzlich zu viel dabei. „Was soll ich essen im nächsten Teilstück?” wurde zur wiederkehrenden Frage. Es entstand ein Chaos im Rucksack und im Kopf. Meine Ernährungsstrategie passte sicher nicht zu hundert Prozent – im Ziel kam ich mit sieben ungegessenen Gels und Riegeln an. Nicht nur, dass ich sie nicht gegessen hatte, ich hatte auch noch unnötiges Gewicht herumgeschleppt.
Business-Transfer: Organisationseffizienz im Extremsport
Wenn alles organisiert ist, dann besteht meine Aufgabe darin, Gels und Riegel von der linken Seite des Laufrucksackes zu nehmen und die leere Verpackung in die rechte Seite zu stopfen.
Diese Erfahrung verdeutlicht einen wichtigen Führungsgrundsatz: In Extremsituationen entscheiden optimierte Prozesse über Erfolg oder Misserfolg. Als CEO weiß ich, dass die besten Strategien scheitern, wenn die operativen Abläufe nicht stimmen. Beim Ultratrail zeigt sich das besonders deutlich – jede mentale Energie, die für banale Entscheidungen verschwendet wird, fehlt dort, wo sie wirklich gebraucht wird.
Erkenntnis: Lange Haare und Ultratrails passen nicht zusammen
Am Ende des Tages brachte das Rennen nicht nur einen zweiten Platz und wertvolle Erkenntnisse über Teamorganisation, sondern auch eine praktische Einsicht: „Lange Haare bei einem Ultratrail gehen nicht – das Haarband einer Helferin an einer Labe hat mich gerettet, nachdem ich meines verloren hatte.”
Für den TOR des Géants wird es daher maximal noch den langen Bart geben. Und hoffentlich eine weitere Podestplatzierung – diesmal mit optimierter Organisation und ohne Chaos im Rucksack.
Das Positive mitnehmen
Trotz aller Herausforderungen überwiegt das Positive. Der Ultra Trail Snowdonia by UTMB hat seinem Ruf als eines der schwierigsten 100-Meilen-Rennen der Welt alle Ehre gemacht. Die mentale Stärke, die es braucht, um durch diese Täler zu gehen und sich aus tiefen Löchern herauszuziehen, ist genau das, was auch in der Führung von Unternehmen gefragt ist.
Am Ende bleibt die Erkenntnis: 100 Meilen sind 100 Meilen – egal, was man zuvor erreicht hat. Sie werden nicht einfacher, nur weil das Ego größer wird. Aber genau das macht sie zu einer perfekten Trainingseinheit für Körper und Geist.
Den vollständigen Artikel von Egon Theiner finden Sie auf Trail Running World.
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Die in diesem Artikel beschriebenen Strategien und Erfahrungen sind Teil meiner Vorträge. Ich zeige, wie sich Erkenntnisse aus dem Ultra Trail Running auf Business und persönliche Entwicklung übertragen lassen.
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