WNTV-Interview: 330 Kilometer Tor des Géants – Die Geschichte hinter Platz 10
Im WNTV-Talk spreche ich über die extremen Herausforderungen beim Tor des Géants 2025: 78 Stunden Lauf, mentale Strategien und die Lessons Learned aus einem der härtesten Ultraläufe der Welt.
Von Bad Erlach ins italienische Aostatal – Ein TV-Talk über Extremleistung
Vor wenigen Tagen war ich beim Wiener Neustädter Privatfernsehen WNTV zu Gast. Das Gespräch über den Tor des Géants 2025 entwickelte sich zu einer intensiven Diskussion über mentale Strategien, logistische Herausforderungen und die Frage: Was treibt einen Menschen dazu, 330 Kilometer mit 25.000 Höhenmetern in 78 Stunden zu laufen?
Der Tor des Géants gilt als einer der härtesten Ultraläufe der Welt – und das völlig zu Recht.

Die Fakten – und was sie verschweigen
330 Kilometer. 25.000 Höhenmeter. 78 Stunden. 4 Stunden Schlaf. Platz 10.
Diese Zahlen erzählen die Geschichte eines Rennens, aber sie verraten nichts über die Momente dazwischen. Über die Nacht, in der ich bei einer Verpflegungsstation wegen Live-Musik nicht schlafen konnte. Über die 40. Stunde, in der ich mir ernsthaft überlegte aufzugeben. Über die vergessenen Ohrstöpsel, die fast alles zunichte gemacht hätten.
Im WNTV-Interview habe ich genau darüber gesprochen: Die ungefilterte Wahrheit hinter der Leistung.

“Ich bin mit einem Messer zum Schusswaffenkampf gekommen”
Diese Metapher beschreibt mein Gefühl im ersten Viertel des Rennens treffend. Ich war überzeugt, aufs Podium laufen zu können – schließlich hatte ich beim PTL 2024 den zweiten Platz geholt. Aber der Tor des Géants hat seine eigenen Regeln (mehr dazu in meinem detaillierten Race Report):
Die Support-Falle
Mein Plan: Alle 50 Kilometer große Verpflegungsstation, wo mein Vater (übrigens 76 Jahre jung) mit meiner Verpflegung wartet.
Die Realität: Alle 10-12 Kilometer Verpflegungsstationen mit Support erlaubt. Die Spitzenläufer trugen 2 Kilo Gepäck, ich schleppte mindestens 2-3 Kilo mehr über die 25 Pässe.
Das war mein größter Fehler – und gleichzeitig die wichtigste Lektion.

Mentale Strategien für Extremsituationen
Im Interview sprach ich über meine wichtigste mentale Technik: Das rote Stoppschild.
Wenn die negative Gedankenspirale beginnt – und sie beginnt garantiert bei jedem Ultra – blende ich mir ein riesengroßes rotes Stoppschild im Kopf ein. Das ist mein Trigger für eine vorbereitete Checkliste:
Wie geht es mir wirklich? Ist echte Gefahr im Verzug? Bin ich freiwillig hier? Will ich wissen, wie weit meine Füße mich tragen?
Diese Fragen bringen Klarheit. Meist lautet das Resultat: Es geht eh noch, also weiterlaufen.

Die 2-Stunden-Regeneration, die alles rettete
Bei Kilometer 200, nach 40 Stunden ohne echten Schlaf, war ich fertig. Körperlich am Ende, die Muskeln nach einer langen kalten Nacht komplett ausgekühlt - unfähig weiterzulaufen. Ich legte mich für 2 Stunden hin – mit der Gewissheit: Wenn es danach nicht besser ist, steige ich aus.
Was dann passierte, war faszinierend: Nach nur 2 Stunden hatte sich mein Körper so weit regeneriert, dass ich wieder rennen konnte. Die Lektion: Der Körper kann unglaubliche Leistungen erbringen, wenn man ihm die minimal notwendige Erholung gibt.

Das “Infinite Game” – Warum ich niemals Schmerzmittel nehme
Im Interview erklärte ich mein Prinzip des “Infinite Game” – inspiriert von Simon Sinek. Ein einzelnes Rennen ist ein kurzfristiges Ziel. Mein Ziel ist es, mit 60 oder 70 Jahren noch mit meinen Kindern in den Bergen unterwegs zu sein.
Deshalb meine Regel: Sobald echter körperlicher Langzeitschaden droht, höre ich auf. Keine Schmerzmittel, keine Überschreitung der Schmerzgrenze, die auf Kosten des “endlosen Spiels” geht.
Beim Hochkönigmann vor einigen Jahren bin ich nach einem Sturz auf das Kreuz ausgestiegen – weil ich wusste wenn ich über diesen Schmerz hinausgehe - riskiere ich einen Bandscheibenvorfall. Das gehört auch zur mentalen Stärke: Zu wissen, wann man aufhört.
Von der buckligen Welt ins Aostatal – Das Flachland-Problem
Eine Herausforderung, die im Interview zur Sprache kam: Ich trainiere in Bad Erlach (300m Seehöhe). Die “buckelige Welt” als Trainingsgelände für einen Lauf, bei dem man sich konstant über 2.000 Meter bewegt und Pässe bis 3.300 Meter überquert - ist gelinde gesagt suboptimal.
Meine Akklimatisierung: Eine Nacht auf der Stüdlhütte beim Großglockner. Rückblickend viel zu wenig. Für das nächste Mal weiß ich: Mindestens eine Woche Höhentraining einplanen.
Was ich aus dem Business mitnehme – und umgekehrt
Als CEO eines IT-Unternehmensy erlebe ich täglich Krisen, IT-Probleme, Mitarbeiterausfälle. Der Ultra-Trail ist eine perfekte Metapher fürs Leben und fürs Business:
Es gibt immer Tiefen. Sie gehen vorbei. Dann kommt wieder ein Hoch.
Beim Tor stehst du um 3 Uhr nachts auf einem Pass, es ist eiskalt, du bist allein, alles tut weh – und dann geht die Sonne auf, das Tal öffnet sich, und du weißt wieder, warum du hier bist.
Im Business ist es identisch: Corona, Krisen, Rückschläge – aber dann kommt der Durchbruch, das erfolgreiche Projekt, der Moment, in dem alles Sinn ergibt.
Die Kunst ist es, die Tiefen durchzugehen, zu lernen und nicht aufzugeben.
12-15 Stunden Training pro Woche – Wie geht das?
Eine Frage, die im Interview aufkam: Wie bringe ich 12-15 Stunden Training (in Spitzenwochen bis zu 25 Stunden) in einen Alltag mit Familie, Firma und Verantwortung?
Meine Strategie: Integration statt Isolation.
- Ich habe unser zweites Auto verkauft – keine Ausrede mehr, bei schlechtem Wetter mit dem Auto zur Arbeit zu fahren
- Büroweg von Bad Erlach nach Wiener Neustadt: Laufend oder mit dem Rad
- Familienausflüge: Oft laufend oder am Rad
- Sonntags verschwitzt am Mittagstisch im Restaurant – mit viel Verständnis der Familie
Letztes Jahr: 300.000 Höhenmeter. Das Training ist nicht nur Vorbereitung, es ist mittlerweile Teil meines Lebens und meine Art, mit dem Stress umzugehen.
#lifeworktrailbalance – Die drei Säulen
Das Interview zeigte wieder einmal: Die drei Bereiche LIFE, WORK und TRAIL lassen sich nicht trennen. Sie ergänzen sich.
- LIFE: Familie, Werte, die Frage nach dem “Warum”
- WORK: Führung, Krisenmanagement, strategische Anpassung
- TRAIL: Mentale Stärke, körperliche Grenzen, Durchhaltevermögen
Jeder Ultra-Trail lehrt mich Dinge, die ich im Business anwenden kann. Jede geschäftliche Krise trainiert mentale Muskeln, die mir beim nächsten Rennen helfen.
Was kommt als nächstes?
Eine Frage, die ich mir nach jedem Rennen stelle – und die im Interview natürlich auch kam.
Ehrliche Antwort: Ich weiß es noch nicht.
Der Tor des Géants interessiert mich definitiv noch einmal – weil ich weiß, dass ich es besser kann. Mit der richtigen Logistik, mit Support alle 10 Kilometer, mit besserer Akklimatisierung könnte ich unter 70 Stunden laufen.
Aber: Lohnt sich der logistische Aufwand? Brauche ich das für mich?
Die Alternative: Der Tor de Géants mit 450 Kilometern und 40.000 Höhenmetern. Noch länger, noch härter – aber mit weniger Support, mehr Selbstversorgung. Das wäre “reiner” und würde mir mehr liegen.
Oder etwas ganz anderes. Schauen wir mal. Das “Infinite Game” geht weiter.

Das vollständige Interview ansehen
Den kompletten WNTV-Talk gibt es hier zu sehen. Eine halbe Stunde ungefilterte Einblicke in die mentalen und physischen Herausforderungen eines der härtesten Ultraläufe der Welt.
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Die in diesem Artikel beschriebenen Strategien und Erfahrungen sind Teil meiner Vorträge. Ich zeige, wie sich Erkenntnisse aus dem Ultra Trail Running auf Business und persönliche Entwicklung übertragen lassen.
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