Extremsport ist keine Sucht – sondern ein Spiegel des Lebens
Erkenntnisse aus dem ORF Sportstammtisch über die wahren Motive des Extremsports: Warum Ultra Trail Running mehr über mentale Stärke, Achtsamkeit und nachhaltige Motivation lehrt, als über Sucht und Eskapismus.
Immer weiter, immer herausfordernder, immer verrückter – können extreme Strapazen sogar zur Sucht werden?
— Eingangsfrage der ORF-Sendung Sportstammtisch im Radio-Kulturhaus, September 2025
Vor kurzem durfte ich beim ORF Sportstammtisch gemeinsam mit der außergewöhnlichen Ultracycling-Weltmeisterin Elena Roch und dem renommierten Psychiater Prof. Michael Musalek über ein Thema sprechen, das mich seit Jahren begleitet: Warum wir Extremsport machen – und was er über das Leben lehrt.
Die zentrale Frage des Abends: Ist Extremsport eine Sucht oder ein Weg zur Selbstverwirklichung? Meine klare Antwort nach über zehn Jahren im Ultra Trail Running: Extremsport ist kein Eskapismus, sondern ein Spiegel des Lebens.
🔁 Vom Burnout zur Balance: Mein Wendepunkt
Ich war kurz vor dem Burnout. Die Firma ist nicht gut gelaufen, mir ist nicht gut gegangen – aber was ich immer gemacht habe, habe ich immer extrem gemacht.
Diese Phase war mein Wendepunkt. Ich hatte meine Firma Smarter Business Solutions GmbH aufgebaut, 16-Stunden-Tage waren normal, Wochenenden gab es nicht – und ich hatte mich selbst völlig verloren. Der klassische Weg vieler Unternehmer: Arbeitssucht als vermeintlicher Erfolgsfaktor.
Sport wurde für mich nicht der nächste Extrempunkt, sondern der Weg zurück zu mir selbst.
Ich habe sozusagen die Arbeitssucht mit der Laufsucht ersetzt – recht erfolgreich.
Was paradox klingt, wurde zu meiner Rettung. Heute sehe ich das Ultra Trail Running nicht mehr als Flucht, sondern als Instrument der Klarheit. Stunden auf dem Trail helfen mir, den Kopf frei zu bekommen – und paradoxerweise bin ich seither produktiver und entspannter im Unternehmen.
Die Erkenntnis: Nicht die Intensität war das Problem, sondern die fehlende Balance und das fehlende Bewusstsein für nachhaltige Leistung.
🧠 Körper, Geist und Anpassung: Was Prof. Musalek lehrte
Wir sind keine Maschinen, sondern ein dynamischer Prozess. Der Körper adaptiert – genauso wie der Geist.
— Prof. Michael Musalek
Eine der wertvollsten Erkenntnisse des Abends kam vom Psychiater: Der menschliche Organismus ist erstaunlich anpassungsfähig, aber nur wenn wir ihm Zeit und die richtige Progression geben.
Ich musste das am eigenen Leib lernen. Als ich zu Beginn meiner Laufkarriere täglich nach der Arbeit zwei Stunden mit Vollgas laufen ging, kam die Quittung: Bandscheibenvorfall mit 35. Mein Herz-Kreislauf-System war bereit für Ultra-Distanzen, aber Muskeln, Sehnen und Gelenke brauchten mehr Zeit.
Die drei Ebenen der Adaptation:
- Kardiovaskuläres System (adaptiert in Wochen)
- Muskulatur (adaptiert in Monaten)
- Passive Strukturen - Sehnen, Bänder, Knochen (adaptieren über Jahre)
Seitdem arbeite ich konsequent im Stehen, spiele in den Pausen Tischtennis mit dem Team und bewege mich bewusst zwischen den Aufgaben. „Sitzen ist das neue Rauchen“ – dieser Satz stimmt für mich heute mehr denn je.

Gemeinsam mit Elena Roch beim ORF Sportstammtisch über die Psychologie des Extremsports © ORF
🌄 Grenzen verschieben, ohne sie zu brechen
Für mich war immer die Frage: Wie weit tragen mich meine Füße? Mittlerweile weiß ich, dass es extrem weit ist – aber ich glaube, es geht immer noch weiter.
Ultra Trail Running ist für mich kein Kampf gegen den Schmerz, sondern eine Reise zu mir selbst. In jedem Lauf steckt das ganze Leben – Höhen, Tiefen, Krisen, Euphorie, unerwartete Wendungen.
Die Parallelen zum Unternehmertum sind frappierend:
- Planung vs. Realität: Egal wie gut dein Plan ist, der Berg (oder der Markt) hat andere Pläne
- Durchhaltevermögen: In den tiefsten Tälern musst du weitermachen, ohne zu wissen, wann es wieder bergauf geht
- Teamwork: Sowohl beim Großglockner Ultra-Trail Sieg 2025 als auch im Business gewinnt man gemeinsam
Auch im tiefsten Tief kommt irgendwann wieder ein Hoch – wenn man nicht aufgibt.
Das gilt nicht nur für 100-Kilometer-Läufe durch die Alpen, sondern auch für Unternehmenskrisen. Resilienz ist nicht angeboren – sie wird trainiert, Kilometer für Kilometer, Entscheidung für Entscheidung.
🧩 Mentale Strategien: Das rote Stoppschild-Konzept
Wenn die negative Gedankenspirale kommt, blende ich ein riesengroßes rotes Stoppschild im Kopf ein.
Diese mentale Technik, die ich beim Sportstammtisch erklärte, ist zu einer meiner wichtigsten Business- und Life-Routinen geworden.

Mentale Stärke und Durchhaltevermögen sind die wichtigsten Faktoren im Extremsport © ORF
Der 3-Stufen-Check in Extremsituationen:
- STOPP – Gedankenspirale bewusst unterbrechen
- PRÜFEN – Warum bin ich hier? Was tut weh? Ist das gefährlich?
- ENTSCHEIDEN – Weitermachen, anpassen oder aufhören
In den Momenten, wo der Körper Nein schreit und der Geist kollabieren will, prüfe ich bewusst:
- Warum bin ich hier? (Ziel und Motivation klären)
- Was tut weh – und ist das okay? (Unterscheidung Discomfort vs. Verletzung)
- Bin ich wirklich am Limit oder nur im Kopf blockiert? (Realitäts-Check)
Diese bewusste Unterbrechung hilft enorm, nicht im mentalen Tunnel zu versinken, sondern das Momentum und die Klarheit wiederzufinden.
Das zeigt, wie wesentlich der mentale Anteil im Sport ist. Letztlich gewinnen die, die es mental besser auf die Reihe bringen.
— Prof. Musalek
Elena Roch bestätigte das: Bei ihren 24-Stunden-Radrennen entscheidet nicht die körperliche Fitness über Sieg oder Niederlage, sondern die mentale Fähigkeit, auch bei Erschöpfung fokussiert zu bleiben. Ihre Weltmeisterschaft 2024 gewann sie nicht durch bessere Beine, sondern durch bessere mentale Strategien in den entscheidenden Stunden.
🧘♂️ Achtsamkeit statt Askese: Die Balance-Lüge
LifeWorkTrailBalance klingt so, als hätte ich das alles im Griff – das stimmt überhaupt nicht. Ich kämpfe jeden Tag darum.
Diese Ehrlichkeit war mir beim ORF-Gespräch besonders wichtig. Ich bin kein Balance-Guru, sondern ein Unternehmer, Familienvater und Athlet, der täglich um diese Balance ringt.
Die Wahrheit über #lifeworktrailbalance:
- Nicht jeden Tag sind alle drei Bereiche gleich gewichtet
- Manchmal überwiegt das Business (Projektphasen, Krisen)
- Manchmal dominiert das Training (vor wichtigen Rennen)
- Manchmal braucht die Familie 100% Aufmerksamkeit
Das Entscheidende ist nicht perfekte Balance, sondern bewusstes Ungleichgewicht. Ich erkenne mittlerweile früher, wo ich gerade kippe – und kann den Fokus rechtzeitig neu setzen.
Achtsamkeit ist für mich kein meditativer Zustand, sondern eine tägliche Reflexions-Übung: Was braucht heute meine Aufmerksamkeit? Wo investiere ich meine Energie? Was vernachlässige ich gerade?
Die regelmäßigen Stunden auf dem Trail werden zu bewegten Coaching-Sessions mit mir selbst. Wie ich auch in meinen Speaker-Vorträgen erkläre: Die besten Entscheidungen treffe ich nicht am Schreibtisch, sondern in Bewegung.
🏁 Das Infinite Game: Kein Ende im Spiel
Ich spiele das Infinite Game. Ich mache das nicht für ein Rennen oder einen kurzfristigen Erfolg – ich will das endlos spielen.
Dieser Gedanke von Simon Sinek aus seinem Buch “The Infinite Game” prägt meine gesamte Herangehensweise an Sport und Unternehmertum. Es geht nicht darum, zu gewinnen und dann aufzuhören – es geht darum, das Spiel am Laufen zu halten.

Das Infinite Game: Solidarität und Beständigkeit statt kurzfristige Rekorde © Event-Organisatoren
Infinite Game Prinzipien im Ultra Trail Running:
- Nachhaltigkeit vor Geschwindigkeit: Lieber 30 Jahre laufen als 3 Jahre Vollgas
- Lernen vor Siegen: Jeder Misserfolg bringt wertvolle Erkenntnisse
- Community vor Competition: Die Laufpartner sind wichtiger als die Konkurrenten
- Gesundheit vor Heroismus: Der nächste Lauf ist wichtiger als der aktuelle PB
Das gilt genauso für mein Unternehmen. Ich möchte nicht das schnellste Wachstum, sondern das nachhaltigste. Nicht den größten Exit, sondern das erfüllendste Business.
Und für die Familie: Ich möchte mit 60 noch mit meinen Kindern auf den Berg gehen – nicht als erschöpfter Ex-Held, sondern als Vater, der verstanden hat, dass Erfolg mit Beständigkeit und nicht mit Geschwindigkeit zu tun hat.
🤝 Elena Rochs Inspiration: Dream Big, aber smart
Die Begegnung mit Elena Roch beim ORF Sportstammtisch war besonders bereichernd. Als 4-fache Siegerin des “Race Around Niederösterreich” und Weltmeisterin 2024 verkörpert sie perfekt, was nachhaltigen Extremsport ausmacht.
Ihr Motto “DREAM BIG!” ist nicht nur ein Slogan – es ist eine Lebensphilosophie mit System:
- Große Ziele setzen (24h-Weltmeisterschaft)
- Smarte Vorbereitung (strukturiertes Training über Jahre)
- Mentale Stärke (Fokus auch bei Erschöpfung)
- Community Building (Rennradcamps für Frauen, Vorträge)
Was mich beeindruckt: Elena macht nicht einfach Extremsport – sie nutzt den Sport als Plattform, um andere zu inspirieren und zu befähigen. Genau das ist für mich der Unterschied zwischen Sucht und Berufung.
🧭 Fazit: Extremsport als Lebensschule
Extremsport ist keine Sucht, kein Wahn, kein Beweisdrang. Er ist eine Form der Selbstreflexion in Bewegung – ein Labor für Persönlichkeitsentwicklung unter kontrollierten, aber fordernden Bedingungen.
Was Ultra Trail Running über das Leben lehrt:
- Probleme lösen sich nicht von selbst – aber sie werden durch Bewegung klarer
- Krisen sind temporär – auch das tiefste Tief endet irgendwann
- Teamwork schlägt Individualismus – gemeinsam kommt man weiter
- Vorbereitung ist alles – aber Anpassungsfähigkeit ist mehr wert
- Der Weg ist das Ziel – der Summit ist nur der Wendepunkt
Diese Erkenntnisse übertrage ich täglich in mein Berufsleben als IT-Unternehmer und mein Privatleben als Familienvater. Extremsport zwingt dich, dich selbst zu beobachten, zu verstehen – und zu verändern. Genau wie das Leben, genau wie erfolgreiches Unternehmertum.
Egal ob Krise, Schmerz oder Müdigkeit – irgendwann geht die Sonne wieder auf.
Der ORF Sportstammtisch hat mir einmal mehr gezeigt: Die wertvollsten Gespräche entstehen, wenn Menschen ihre authentischen Erfahrungen teilen – ohne Beschönigung, aber mit der Bereitschaft, voneinander zu lernen.
Extremsport ist nicht für jeden. Aber die mentalen Strategien, die Resilienz und die Achtsamkeit, die er lehrt – die kann jeder in seinem Leben anwenden. Egal ob beim nächsten schwierigen Kundengespräch, in der Beziehungskrise oder beim Umgang mit den eigenen Grenzen.
Die vollständige Aufzeichnung des ORF Sportstammtisch ist verfügbar unter: Sportstammtisch im Radio-Kulturhaus: Extremsport
Für Speaking-Anfragen zu den Themen Extremsport, mentale Stärke, Burnout-Prävention und Führung kontaktieren Sie mich gerne über das Kontaktformular oder besuchen Sie meine Speaker-Seite.
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Die in diesem Artikel beschriebenen Strategien und Erfahrungen sind Teil meiner Vorträge. Ich zeige, wie sich Erkenntnisse aus dem Ultra Trail Running auf Business und persönliche Entwicklung übertragen lassen.
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